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Fachkräfte: Strukturschwache Regionen durch "Brain Drain" gefährdet - Studie prognostiziert massiven Beschäftigungsverlust
(nf/red/06.12.10) Ein sich zuspitzender Fachkräftemangel könnte dazu führen, dass die Schere zwischen strukturschwachen Gebieten und boomenden Metropolregionen in Deutschland weiter auseinandergeht. Das belegt eine Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts im Auftrag der Beratungsgesellschaft PwC. Die Kernthese lautet: Unternehmen und Institutionen wissensorientierter Branchen siedeln sich nur dort an, wo genügend hochqualifizierte Arbeitskräfte verfügbar sind. Und: Sie schaffen nicht nur Jobs für Hochqualifizierte, sondern auch für durchschnittlich und gering qualifizierte Erwerbstätige. Vor allem Teile Ostdeutschlands und ökonomisch eher schwache Regionen Westdeutschlands könnten hier den Anschluss verlieren, mit der Folge, dass sich das Problem der Arbeitslosigkeit dort weiter verschärft, so die Befürchtung. Der Ausweg liege in einer deutlichen Steigerung der Investitionen in Bildung und Qualifizierung vor Ort.

Audio zum Thema (Autor: Matthias Widder)

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Originaltext von PwC:

+++Der demografische Wandel und der sich abzeichnende Fachkräftemangel werden bis 2020 in fast vier von zehn deutschen Kreisen zu Beschäftigungsverlusten führen. Vor allem in Ostdeutschland sowie in strukturschwachen westdeutschen Regionen drohen massive Einbußen, wenn die Investitionen in Bildung und Qualifizierung vor Ort nicht deutlich steigen, wie aus einer Studie des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) im Auftrag der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC hervor geht.

"Technologieunternehmen, Forschungseinrichtungen oder innovative Dienstleister schaffen nicht nur Jobs für Hochqualifizierte, sondern auch für durchschnittlich und gering qualifizierte Erwerbstätige. Unternehmen wissensorientierter Branchen werden sich aber nur in Regionen ansiedeln, in denen entweder ausreichend hochqualifizierte Arbeitskräfte vorhanden sind oder die zumindest mit so attraktiven Lebens- und Arbeitsbedingungen aufwarten können, dass Hochqualifizierte aus anderen Regionen zuwandern", kommentiert PwC-Vorstand Wolfgang Wagner.

Die Studie prognostiziert die Beschäftigungsentwicklung für 413 deutsche Kreise und Städte in Abhängigkeit von den regional verfügbaren hochqualifizierten Arbeitskräften sowie der verbundenen Bruttowertschöpfung und Produktivitätsentwicklung. In einem Basisszenario wird angenommen, dass der Anteil der hochqualifizierten Arbeitskräfte an den Erwerbstätigen insgesamt (Humankapitalquote) in jeder Region bis 2020 unverändert bleibt. Regionen mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil von gut ausgebildeten Menschen wird es in diesem Szenario gelingen, diesen Vorsprung zu halten, so dass auch die Beschäftigung insgesamt dort langfristig stärker wächst als im bundesweiten Durchschnitt.

Im Ergebnis dürfte die Zahl der Erwerbstätigen insbesondere in den westdeutschen Metropolregionen deutlich steigen. Für den Landkreis München beispielsweise prognostizieren die Wissenschaftler einen Beschäftigungszuwachs von etwa 20 Prozent, für die Stadt Leverkusen sogar von 40 Prozent. Bemerkenswert ist auch die positive Entwicklung in vielen Städten des Ruhrgebiets (Dortmund: plus 21 Prozent, Unna: plus 13 Prozent). In Ostdeutschland gewinnen Potsdam (plus 20 Prozent), aber auch Leipzig und Dresden sowie touristisch geprägte Kreise wie Bad Doberan überdurchschnittlich viele Erwerbstätige hinzu (jeweils rund zehn Prozent).

Zum Teil dramatische Beschäftigungsverluste drohen hingegen in strukturschwachen Regionen. So wird es 2020 beispielsweise im Landkreis Spree-Neiße etwa 30 Prozent und in der kreisfreien Stadt Wilhelmshaven über 20 Prozent weniger Erwerbstätige als heute geben. Insgesamt verzeichnen im Basisszenario 158 der 413 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland Beschäftigungsverluste. Diese Entwicklung betrifft die Mehrzahl der ostdeutschen Kreise (63 von 87), aber auch knapp 30 Prozent der Kreise in Westdeutschland (95 von 326).

Bildungsinvestitionen gegen den Brain Drain

Gelänge es hingegen in einem "Wachstumsszenario", durch gezielte Bildungsinvestitionen die Zahl der Hochqualifizierten in allen Regionen gleichmäßig um 1,9 Prozent jährlich zu erhöhen (Durchschnittswert der Jahre 1994 bis 2007), würde die Beschäftigungsbilanz deutlich positiver ausfallen. Im Vergleich zum Basisszenario sinkt die Zahl der Kreise mit rückläufiger Erwerbstätigenzahl in dieser Modellrechnung von 158 auf 143. Zudem würde der Rückgang der Erwerbstätigenzahl in vielen Regionen deutlich abgeschwächt.

Nicht auszuschließen ist allerdings, dass sich der Anteil Hochqualifizierter in den kommenden Jahren durch Abwanderung weiter zu Lasten strukturschwacher Regionen verändert. „Der ‚Brain Drain’ könnte auch in Regionen zu Beschäftigungsverlusten führen, die bei einer bloßen Fortschreibung der bisherigen Entwicklung bis 2020 leichte Beschäftigungsgewinne verzeichnen“, erläutert Wagner.

Diese Entwicklung beschreibt das "Polarisierungsszenario", das die Zu- und Abwanderung Hochqualifizierter berücksichtigt. Im Vergleich zum Basisszenario steigt die Zahl der Kreise mit sinkender Erwerbstätigenzahl deutschlandweit von 158 auf 161. In den meisten ostdeutschen Regionen (68 von 87) fällt die Beschäftigungsentwicklung um mindestens 0,5 Prozentpunkte schlechter aus. Umgekehrt schneiden Regionen mit einer relativ guten Beschäftigungsprognose im Polarisierungsszenario noch besser ab.

(...)

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