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Jahresbericht: Europa trägt hohe Verantwortung für Freiheit und Menschenrechte in der arabischen Welt - Kritik an Flüchtlingspolitik - Erfolg der Bewegung steht "auf Messers Schneide"
(nf/red/16.05.11) Europa muss sich entschlossen für Bürgerrechte und Demokratie in der arabischen Welt einsetzen. Das ist eine der zentralen Forderungen im Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Die EU dürfe Fehler der Vergangenheit, in der massive und systematische Menschenrechtsverletzungen um den Preis der Stabilität hingenommen worden seien, nicht wiederholen, betonte die Organisation. Dazu gehöre auch ein humaner Umgang mit Flüchtlingen aus Nordafrika. Verschärfte Grenzkontrollen und das Abfangen von Asylsuchenden auf hoher See seien keine Lösung. Amnesty betonte zugleich die Bedeutung der Meinungsfreiheit und die Rolle des freien Internets im Prozess der Umwälzung. Ob der Aufbruch im arabischen Raum Erfolg haben werde, sei derzeit noch offen. Die Entscheidung für oder gegen Freiheit und Gerechtigkeit stehe "auf Messers Schneide", so die Einschätzung der Organisation.

Originaltext von Amnesty International:

+++ Internet und soziale Medien spielen im Kampf für die Menschenrechte genauso wie bei deren Unterdrückung eine immer größere Rolle: Das belegt der Amnesty International Report 2011, der heute im S. Fischer Verlag erscheint. Für das Jahr 2010 dokumentiert Amnesty International Menschenrechtsverletzungen in 157 Ländern.

"Vor allem in der arabischen Welt setzten Blogger, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten verstärkt auf neue Technologien, um politische Reformen und die Einhaltung der Menschenrechte einzufordern. Die Regierungen schlugen mit Zensur, Internetblockaden, Verhaftungen und Folter zurück", sagte Wolfgang Grenz, stellvertretender Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, bei der Vorstellung des Reports in Berlin. In der arabischen Welt verbreiteten sich die Nachrichten über Proteste und Streik via Internet und Handy rasant und trugen so wesentlich zu den Umbrüchen in Tunesien und Ägypten bei. "Ob der Aufbruch in der arabischen Welt erfolgreich sein wird, ist noch offen. Die Entscheidung für oder gegen Freiheit und Gerechtigkeit steht auf Messers Schneide."

Eine massive Einschränkung der Meinungsfreiheit verzeichnet Amnesty in 89 Staaten. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist ein grundlegendes Menschenrecht, für das sich Amnesty International seit seiner Gründung 1961 einsetzt. "Meinungsfreiheit ist der Grundstein, auf dem Amnesty International vor 50 Jahren aufgebaut wurde und heute immer noch ein Schwerpunkt unserer Arbeit. Meinungsfreiheit ist für die Verwirklichung anderer Menschenrechten unerlässlich", sagte Grenz.

In China werden Menschenrechtsanwälte, Umweltaktivisten, Schriftsteller, aber auch gewöhnliche Bürger daran gehindert, politisch brisante Themen an die Öffentlichkeit zu bringen. Die Unterdrückung der Meinungs- und Informationsfreiheit hat in den vergangenen Monaten stark zugenommen. Seit Ende Februar wurden mehr als 100 Aktivisten festgenommen oder unter Hausarrest gestellt.

In Syrien werden Webseiten mit Beiträgen zu Menschenrechten, Regierungskritik oder zur Lage der kurdischen Minderheiten blockiert, Blogger und junge Menschenrechtsaktivisten zu drakonischen Haftstrafen verurteilt.

In Ägypten hat sich mit Blick auf das Streikrecht auch nach dem Sturz von Hosni Mubarak nicht viel verändert: Mitte April trat ein Gesetz in Kraft, das friedliche Proteste und Streiks kriminalisiert. "Deutschland, die EU und die USA müssen von der ägyptischen Übergangsregierung und dem Militärrat konsequent konkrete Schritte zu Verbesserungen des Menschenrechtschutzes einfordern" sagte Grenz. Rückschritte wie Folter, die Ausgrenzung der Frauen bei der Neugestaltung der politischen Zukunft oder das Streikverbotsgesetz müssen kritisiert werden. "Die EU darf die Fehler der Vergangenheit, in der massive und systematische Menschenrechtsverletzungen um den Preis der Stabilität hingenommen wurden, nicht wiederholen."

Kritisch sieht Amnesty International auch die europäische Flüchtlingspolitik. Der Streit um die Verteilung der etwa 30.000 "Bootsflüchtlinge" aus Nordafrika in Italien zeigt, dass das Verteilungssystem innerhalb der EU nicht funktioniert. "Verschärfte Grenzkontrollen sind keine Lösung und das Abfangen von Asylsuchenden auf Hoher See im Mittelmeer ohne Überprüfung ihrer Fluchtgründe verletzt das internationale Flüchtlingsrecht und die Menschenrechte", so Grenz.

Amnesty International appelliert an die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass Flüchtlinge aus Somalia, Eritrea und Äthiopien, die von Libyen nach Ägypten und Tunesien geflohen sind, aufgenommen werden. +++

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